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Die Arbeit in den Weinbergen

Besetzung:

Garry, der Arbeitgeber

Glenys, die Weingutmanagerin
Tania und Lorraine, Angestellte von Glenys

Harry, der frisch ernannte Vorarbeiter
Arne, Sabine und Bettina, deutsche Backpacker
Cliffton, Kako und Co., die Kiwis

Die Rahmenbedingungen:

Auf den Weinbergen gibt es jede Menge Handarbeit zu tun. Waehrend die Besitzer sich um das Weinmachen als solches oder das Reiten ihrer Pferde kuemmern, kuemmert sich Glenys um die verschiedenen Weinberge. Fuer die von Fruehjahr bis zur Ernte zu verrichtende Arbeit hat sie Garry engagiert, einen sogenannten “Contractor”. Der rueckt mit einem Haufen ungelernter Arbeiter an (neuseelaendische Gelegenheitsarbeiter und internationale Backpacker), und erledigt die mit Glenys vereinbarten Arbeiten in den Weinbergen (zumindest in der Theorie, siehe unten).

Die Arbeiter werden je nach Arbeit und Weingut entweder stuendlich bezahlt (13NZ$ pro Stunde, das sind rund 5,50 Euro) oder – wesentlich reizvoller – auf “contract”. In diesem Fall gibt es pro Pflanze je nach zu verrichtender Arbeit einen bestimmten Betrag. Auf “contract” kann die Arbeit im Weinberg fuer neuseelaendische Verhaeltnisse richtig gut bezahlt werden…
Sollte man auf “contract” mal nicht ueber 13$/h kommen, so erhaelt man zumindest den 13$-Stundelohn. Allerdings wird, selbst wenn man den ganzen Tag auf Stundelohnbasis arbeitet immer nur die Zeit im Weinberg an den Reben bezahlt – Fahrzeit etc. wird nicht beruecksichtigt.

Der erste Tag:

Unser erster Arbeitstag war auch ueberhaupt der erste Tag, an dem Garry mit der Bearbeitung der ausstehenden Aufgaben in Martinborough anfing – und somit auch der erste Tag fuer die (im Laufe der Zeit teilweise wechselnden) neuseelaendischen Kollegen und fuer Sabine, eine deutsche Reisende, die wir auf diese Art kennengelernt haben.

Morgens um 8 Uhr haben wir nach einer kurzen und recht unprofessionellen Einweisung von unserem Arbeitgeber (dauerte ungefaehr 2 Minuten) losgelegt. Die Arbeit, auf englisch “bud rubbing”, bestand darin, die Sprossen am Stamm der Weinrebe abzurubbeln. Man bekommt dafuer Handschuhe und ein einfaches Abstreifen ueber den Stammm genuegt schon, damit die unerwuenschten Sproesslinge abfallen. Diese Arbeit wird in der Regel auf “contract” bezahlt, das heisst, wie gesagt, man wird pro Pflanze bezahlt und muss folglich moeglichst schnell arbeiten. Ganz typisch deutsch haben wir und Sabine uns dann auch gleich mal zu viele Gedanken ueber die Menge der zu entfernenden Sproesslinge gemacht: “Hmm, die Triebe da oben nahe am Kopf der Pflanze… muessen die auch noch weg, oder eher nicht, oder vielleicht nur manche davon?” Da man bei Garry fuer’s “bud rubbing” pro Pflanze nur 3ct bekommt, hat man pro Pflanze nur 8 Sekunden Zeit (inkl. den Schritten zur naechsten Pflanze), um ueberhaupt mehr als den Stundenlohn von 13$ zu erreichen. Diese Ueberlegung zeigt schon, dass selbst der Gedankengang “Hmm, die Triebe da oben?” schon zu viel des Guten gewesen waere. Waehrend die Neuseelaender super schnell durch die Reihen gelaufen sind, dabei auch mal einige Pflanzen komplett vergessen haben, waren wir – zumindest an den ersten Tagen – viel zu gruendlich. Tortzdem haben wir es schon am ersten Tag auf rund 3000 Pflanzen gebracht = 3000 Mal buecken. Der Ruecken hat einen abends merken lassen, dass man was geschafft hat…

Harry – er wurde warum auch immer von Garry immer Terry genannt – wurde von Garry am selben Tag eingestellt und gleich zum Vorarbeiter befoerdert. Harry war zovor weder jemals Vorarbeiter noch auf einem Weinberg gewesen und kommentierte seine Befoerderung folgerichtig mit einem unglaeubig-erschreckten “He [Garry] want’s me to look after his gang?!” Harry hat uns, nachdem Garry noch am ersten Tag wieder auf die Suedinsel abgehauen ist, wo er seine Hauptaktivitaeten betreibt, von Weinberg zu Weinberg gefahren. Er hat eine aehnlich ausfuehrliche Einweisung bekommen wie wir, was dann auch schonmal zu Verwirrung fuehrte: Zwischendurch wurde Sabine gefragt, ob wir denn auch auf dem richtigen Weinberg seien.

Die naechsten Tage

Die naechsten Tage haben wir sowohl mit “bud rubbing” verbracht als auch mit “wiring”. Dabei werden die entlang der Weinrebenreihe gefuehrten Draehte umgespannt und die Weinreben dazwischengeklemmt, damit die Weinreben schoen nach oben wachsen und nicht kreuz und quer durch die Gegend haengen. “Wiring” ist eine deutlich weniger anstrengende und besser bezahlte Arbeit als budrubbing. Leider wusste Harry aber auch nicht so genau, wie das funktioniert und Glenys, die Weingutmanagerin, kam mit ihrer Qualtitaetskontrolle reichlich spaet, so dass etliche Reihen nochmal bearbeitet werden mussten.

Am dritten Tag sollten Arne und ich fuer’s morgendliche Abholen an einer anderen Stelle vom Dorfplatz warten, was gleich mal dazu gefuehrt hat, dass man uns vergessen hat und wir ungefaehr eine Stunde am Platz gewartet haben, damals noch in der Annahme man wird stuendlich bezahlt ab Arbeitszeitbeginn. Zwischendurch kam Glenys vorbei und hat uns versichert, dass wir noch von Harry abgeholt werden, um dann 30 Minuten spaeter selbst nochmal vorbei zukommen und uns mitzunehmen. Den Tag haben wir dann mit Sabine zusammen mit “planting” (Weinrebenpflanzen) verbracht. Alleine zu dritt, nach einer 2- minuetigen Einweisung. (Ueberhaupt wurden wir Deutschen dafuer geschaetzt, dass man uns auch unbeaufsichtigt arbeiten lassen konnte.) Die Loecher wurden mit dem Spaten gegraben (es gibt fuer sowas natuerlich auch Maschinen, aber Backpackerarbeit ist ja billig). Eine sehr muehevolle Arbeit, da der Boden extrem steinig war.

Nach den ersten drei Tagen, an denen man koerperlich von der harten Arbeit ziemlich fertig war, hatte man sich daran gewoehnt und es ging ganz gut. Schoen war, dass wir mit Sabine eine sehr nette Mitreisende getroffen haben. Bereits nach ein paar Tagen hatten wir es zur Tradition gemacht, den Arbeitstag (der in der Regel bis 16:00 ging) mit einem Kaffe o.ae. am Ortsplatz zu beenden. Was man dabei allerdings keinesfalls machen durfte, war den Kaufpreis “umzurechnen”: “Arrgh, fuer diesen Kaffee musste ich rund 260 Pflanzen budrubben!”

Da Garry nur einmal pro Woche in Martinborough auftauchte, musste Glenys seine Abreit noch mitmachen: Organisieren, wer wann wo abgeholt wird und wann wohin gefahren wird und wo wann welche Abreit gemacht wird. Nachdem Harry nach ein paar Tagen die Schnauze voll hatte und nicht mehr zur Arbeit kam, musste sie auch noch Vorarbeiter organisieren und sich darum kuemmern, dass jemand da war, der den Van mit den Arbeitern fahren konnte (was, solange wir in Martinborough waren, Arne war).

Insgesamt

Die Arbeit in den Weinbergen war interessant und eine tolle Erfahrung. In den gut zwei Wochen Arbeit haben wir so einiges erlebt und es gab viele interessante Situationen. Einige Stichwoerter waeren: Uebertriebene deutsche Gruendlichkeit; neuseelaendisches Chaos; fehlende Toiletten (“The sh** is almost there!”); unklare Bezahlung; eine mehr und mehr kaputtgehende Schaltung (wer braucht schon den ersten und den zweiten Gang?); eine furienhafte Vorabreiterin; fast offene Revolte; Father Glenys (Glenys war auch Vikarin, kam einen Tag in voller Montur auf den Weinberg und wurde seitdem von Harry nur noch “Father Glenys” genannt); Horrormittwoch mit 5:30 abholen und jeweils fast zwei Stunden (unbezahlter!) An- und Abfahrt zum Weinberg; auf dem Weinberg vergessene Arbeiter, die die Rueckfahrt in die Stadt auf der Ladeflaeche eines Pick-Ups antreten muessen… und vieles, vieles mehr. Es wuerde den Rahmen sprengen, dies alles hier so ausfuerlich zu berichten, wie die Erlebnisse es wert waeren. Aber wir wollen ja auch noch was zum muendlichen Erzaehlen haben, wenn wir wieder zurueck sind. ;-)

Warnung vor Fore Vintage Contracting

Leider hatten wir mit dem Arbeitgeber, den wir fuer unsere Arbeit in den Weinbergen gefunden haben, eher Pech. Garry Smith mit seiner Firma “Fore Vintage Contracting” geniesst sowohl auf der Nord- als auch auf der Suedinsel einen schlechten Ruf. Viele Weingutmanager sind anscheinend mit seiner Arbeit nicht zufrieden – zumindest Glenys scheint es ganz und gar nicht. Vor allem aber zahlt er – wie wir erst im Laufe der Zeit erfahren haben – anscheinend vergleichsweise schlecht. Beispiel “bud rubbing”: Anstelle der 3ct pro Pflanze wurden uns bei anderen Arbeitgebern spaeter (zu spaet fuer uns) eher 4-5ct angeboten. Ein gewaltiger prozentualer Unterschied! Die genauen Raten pro Pflanze erfaehrt man fuer einige der Arbeiten erst mit der Gehaltsabrechnung. Und wahrend uns beiden moeglicherweise in der letzten Woche einige Dollar entgangen sind (die Gehaltsabrechnungen sind nicht nachvollziehbar genug, um es mit Sicherheit sagen zu koennen, aber sie erscheinen uns zumindest zweifelhaft) hat Sabine uns erzaehlt, dass sie fuer ihre letzten Arbeitstage ueberhaupt kein Geld mehr ausbezahlt bekommen hat!

Ein Vorfall, der die Situation illustriert: Eine Weile nach den letzten Arbeitstagen trafen wir uns mit Garry in Blenheim auf der Suedinsel zum Abholen der letzten Gehaltsabrechnungen und der letzten Gehaltsfragmente. Nachdem er vom Parkplatz gefahren war, hielt eine Frau neben uns an, kurbelte die Autoscheibe runter und meinte woertlich: “Are you working for this guy? He’s an a**hole!”

Wir wuerden jedem anderen Reisenden dringend davon abraten, fuer die Arbeit in den Weinbergen Fore Vintage Contracting als Arbeitgeber zu waehlen.

Insgesamt brauchen wir uns aber nicht aergern. Bestimmt waere bei einem anderen Contractor fuer die gleiche Arbeit noch mehr drin gewesen. Aber auch so haben wir einiges mehr verdient, als wir bei vielen anderen typischen Backpackerjobs mit 13$ Stundenlohn bekommen haetten und fuer neuseelaendische Verhaeltnisse und kurzfristige Gelegenheitsarbeit war’s sowieso ein guter Verdienst. Wenn man den richtigen Arbeitgeber erwischt, kann man in Neuseeland auf dem Weinberg weit mehr verdienen als in Deutschland im Architekturbuero.

6 Responses to “Die Arbeit in den Weinbergen”

  1. Torsten
    December 15th, 2008 20:35
    1

    Gab’s denn wenigstens abends ein paar Gratis-Shoppe?

  2. Arne
    December 16th, 2008 02:05
    2

    Schoen waer’s gewesen! Nix dergleichen gab’s in den Weinbergen. Aber zum Abschluss haben wir uns in Martinborough am Campingplatz Fahrraeder geliehen und sind auf “wine tasting tour” gegangen. Die Weinproben kosten von nichts bis 5$ pro Person und man kann richtig gute, teilweise auch sehr besondere Weine probieren. (Wir haben uns durch 23 Weine auf 4 Weinguetern durchgetestet. :-)

  3. Torsten
    December 18th, 2008 18:45
    3

    Seid ihr schon wieder nüchtern?

  4. Arne
    December 19th, 2008 00:54
    4

    oeha, isch weiss gar nisch, wasu meinst… *hicks* ;-)

  5. Torsten
    December 19th, 2008 01:06
    5

    Deshalb fährst du also so gerne nach Neuseeland. Prost, Cheers, Slainte, oder wie sagt man in Neuseeland?

  6. Arne
    December 19th, 2008 01:19
    6

    Auch eher “cheers”. Oder einfach: “drop it!” :-)