home

Wahrscheinlichkeit

Auf der Titelseite des Darmstädter Echos vom 08. April 2006 wird über eine Anordnung des Regierungspräsidiums Darmstadt berichtet:

Das in unmittelbarer Nähe des Frankfurter Flughafens angesiedelte Chemieunternehmen Ticona muss seine Sicherheitsvorkehrungen gegen einen möglichen Flugzeugabsturz verbessern. Das ordnete das Regierungspräsidium Darmstadt am Freitag unter Hinweis auf ein Gutachten des TÜV Pfalz an. Der TÜV sei zu dem Ergebnis gekommen, dass alle 61400 Jahre mit einem Flugzeugabsturz zu rechnen sei, der in dem Werk einen Störfall mit Toten und Verletzten auslösen könnte. Dies könne bereits morgen der Fall sein, deshalb sei das Risiko zu hoch.

(Hervorhebung von mir)

Die Argumentation, dass Risiko sei zu hoch, da ein im abgeschätzten statistischen Mittel alle 61400 Jahre zu erwartender Flugzeugabsturz “bereits morgen” passieren könnte, ist brillant.
Wofür hat sich der TÃœV überhaupt erst die Mühe gemacht, eine – sicherlich nicht einfache – Risikoabschätzung vorzunehmen, die sogar die Wahrscheinlichkeit für solch einen Flugzeugabsturz in Form einer (mehr oder minder) anschaulichen Häufigkeit zusammenfasst? Das Regierungspräsidium erkennt nämlich sofort, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses uns nichts über den tatsächlichen Zeitpunkt des Eintretens verrät. Und folgert messerscharf, dass der Absturz bereits morgen passieren könnte.
Es stellt sich die Frage, ob auch dann “das Risiko zu hoch” wäre, wenn mit solch einem Absturz alle 10 Millionen Jahre zu rechnen sei – denn auch “dies könnte bereits morgen der Fall sein”!

8 Responses to “Wahrscheinlichkeit”

  1. st
    May 8th, 2006 08:40
    1

    Man sollte prüfen, inwieweit die neuen Sicherheitsvorkehrungen auch den Schutz vor Meteoriten Einschlägen verbessern. Das könnte ja auch bereits morgen passieren!

  2. Chris
    May 8th, 2006 09:26
    2

    Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass das Gebäude, in dem unsere Firma sitzt, von Außerirdischen kontrolliert wird? Ich mein, im Moment sind die recht freundlich – wer weiss, für wie lange… Bereits morgen…

  3. felix
    May 8th, 2006 11:06
    3

    Die breite Masse der Journalisten entstammt wohl eher vernunftfernen Schichten.

  4. Arne
    May 8th, 2006 13:32
    4

    Auf Grund der Formulierung (Konjunktiv, “dies könne bereits morgen der Fall sein”) gehe ich davon aus, dass das Echo hier in der Tat nur aus der Anordnung des Regierungspräsidiums berichtet hat. Während ich Felix’ Annahme auf dieser Grundlage nicht im Grundsatz widersprechen möchte, scheint es sich hier eher um Indiz dafür zu handeln, dass die breite Masse der Politiker usw…

  5. Torsten
    May 8th, 2006 14:42
    5

    Es besteht auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Regierungspräsidium Vernunft annimmt. Sogar bereits morgen. Im Prinzip. Und wer mir das glaubt: Ich hätte da günstig eine Brücke in Brooklyn im Angebot…

  6. Arne
    May 8th, 2006 15:01
    6

    Eine Brücke in Brooklyn? “Das ist ja Bauernfängerei. – Geben Sie mir zwei!”

  7. Torsten
    May 11th, 2006 09:41
    7

    Was ist Regieren auch anderes als Bauernfängerei? Wie hieß es in “Contact”: “First rule in government spending: why build one when you can have two at twice the price?”

  8. Arne
    May 11th, 2006 16:31
    8

    Und wie schallte es in dieser Szene, als aus dem filmischen Nichts die zweite Reisemaschine auftauchte, aus dem Zuschauerraum: “Wie realistisch.”