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Cover my ass

Dass ich die zur Zeit geltenden Regelungen zur (Nicht)mitnahme von Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen für Unfug halte, habe ich in einem älteren Beitrag bereits dargelegt. Das Europaparlament sieht das wohl ähnlich, zumindest ist es vernünftig genug, Kosten* und Nutzen der Regelung, nachdem sie nun eine Weile im Einsatz ist, überprüfen zu wollen. Eigentlich die normalste Sache der Welt, möchte man meinen. Die EU-Kommission ist laut einem Bericht bei Spiegel-Online leider nicht so vernünftig.
(*Mit Kosten sind natürlich nicht nur rein finanzielle Aspekte gemeint, sondern z.B. auch der Verlust an persönlicher Freiheit usw.)

Etwas Gutes hat die Sache aber sogar. Nämlich die Aussage von Verkehrskommissar Jaques Barrot:

Ein Ende der Maßnahme ist ein Risiko, dass ich nicht eingehen möchte.

Die verdeutlicht eine wesentliche Motivation für Politiker, möglichst laut “Security Theater” oder “Grundrechteabbau für die Sicherheit” zu fordern. Sie fahren damit eine klassische “cover my ass“-Strategie. Wenn was passiert (und irgendwann passiert immer irgendwas), können sie rufen: “Ist nicht meine Schuld! Ich hab’s ja gleich gesagt. Mir ist nichts vorzuwerfen! Ich wollte ja alles für mehr Sicherheit tun.”
Armselig!

8 Responses to “Cover my ass”

  1. Chris
    September 6th, 2007 08:35
    1

    Die Regel hat einen Sinn und der ist auch nachvollziehbar.
    Die Durchleuchtungsgeräte am Flughafen können Flüssigkeiten nicht detektieren. Also muss dann die Flüssigkeit aus dem Handgepäck raus und vom Inspekteur direkt angesehen werden. Um das abzukürzen wurde die Regel eingefügt, dass es in einen durchsichtigen Plastikbeutel kommt, dann muss man es nicht extra auspacken. Der sollte wiederverschließbar sein, damit Deo, Cola und Obst nicht durch den HI-SCAN purzeln.
    Und die Mengenbeschränkung hat vermutlich eher mit der Praktikabilität zu tun, weil es ziemlich lange dauern würde wenn jemand mit 10 Tüten anrückt.

    Was mich wundert ist, dass man diese zutreffende Erklärung nirgends hört. Wahrscheinlich wissen “die Politiker” nur, dass die Maßnahme nötig ist, aber selbst nicht so genau warum, also hat es irgendwas mit Gefahrenabwehr zu tun.

  2. Arne
    September 6th, 2007 11:56
    2

    Also, erst mal kann es ja durchaus sein, dass diese Sicherheitsmaßnahme sogar Sinn und eine vernünftige Relation zwischen Sicherheitsgewinn und “Kosten” (im allgemeinen Sinn) hat.
    Aber es wäre doch vernünftig, dies auch zu überprüfen, nachdem die Regel – die ziemlich hopplahopp als Reaktion auf eine spezielle Bedrohungssituation erlassen wurde – eine Weile im praktischen Einsatz war. Der Bericht las sich für mich aber so, als ob die Kommission schon nichts von der vom Parlament geförderten Prüfung hielt. Und das ist ärgerlich.
    Zumal das ein häufiges Problem bei der Gefahrenabwehr zu sein scheint: Es werden einschneidende Regelungen/Maßnahmen getroffen, deren Wirkung aber später nicht mehr unter die Lupe genommen wird, sobald sie mal als selbstverständlich akzeptiert worden sind.

  3. Arne
    September 6th, 2007 11:56
    3

    Zur Sache selbst: Ich bezweifle nach wie vor den Sinn der Regel, besonders in dieser Form. Ob jemand mit Flüssigsprengstoff in der Luft ein Flugzeug beschädigt bekommt, sei dabei mal dahingestellt. (Fertige flüssige Sprengstoffe sind nach dem was man so hört wohl schlecht zu handhaben und die Herstellung von explosiven Material aus flüssigen Ausgangsstoffen in der Flugzeugtoilette ist wohl auch nicht so vielversprechend. Aber sei’s drum, ich bin kein Chemiker, ich kann das nicht abschließend beurteilen. Irgendwie wird das vermutlich sogar halbwegs funktionieren können(?).)
    Nur was ist überhaupt der eigentliche Sinn der Regelung? Eine Mengenbeschränkung von einem Liter pro Person durchzusetzen? Aber könnten dann nicht auch, sagen wir mal, fünf Terroristen mit je einem Liter Sprengstoff schon viel Schaden anrichten? Und warum muss der eine Liter auf 100ml-Behälter verteilt werden – was ist daran sicherer? Oder geht es darum, dass ein Sicherheitsmitarbeiter einen Blick auf alle Flüssigkeiten werfen kann? Sieht der zehn undurchsichtigen 100ml-Fläschen im durchsichtigen Plastikbeutel an, ob Shampoo oder Sprengstoff drin ist? Selbst wenn, warum darf ich dann nicht auch meine (durchsichtige) 1l-Wasserflasche mitnehmen? Und wenn schon mehr als ein Liter Flüssigkeit pro Person die Sache zu unpraktikabel machen würde, warum ist dann überhaupt noch Handgepäck erlaubt? Ãœbrigens purzeln mein Schlüsselbund, Portemonnaie, Mobiltelefon und Gürtel auch nicht durch die HI-SCAN, sogar ohne Plastikbeutel, da gibt’s die kleinen Plastikkisten für…
    Sprich, mir ist der Sinn der Regelung – besonders in dieser Form – trotz Chris’ Erläuterungen nicht einsichtig.

  4. Torsten
    September 6th, 2007 12:55
    4

    Hat jemand die EU-Kommission mal darauf hingewiesen, dass Flugzeuge voll sind mit einer gefährlichen Flüssigkeit?

  5. Chris
    September 7th, 2007 08:56
    5

    Arne, es geht nicht drum, dass Du da flüssigen Sprengstoff mitschmuggeln könntest. Es geht einfach darum, dass es einen großen schwarzen Fleck auf dem Monitor gibt, der nicht zuzuordnen ist. Die Mengenbeschränkung ist nur, damit die Abwicklung schneller geht. Der Plastikbeutel hat den Sinn, dass Du nicht vor dem Förderband einzeln alle Flüssigkeiten aus deiner Tasche raussuchen musst, sondern sie schon rausgesucht sind.
    Man könnte auch einen nicht-durchsichtigen Beutel nehmen, in die Kiste leeren und am Schluss wieder einpacken. Kostet aber auch Zeit.
    Ich bin der letzte, der bei der aktuellen Panikmache relativieren will und weiss auch, dass diese Maßnahmen zur Vereinfachung der Abwicklung als “Sicherheit” verkauft werden.
    Und hier sehe ich auch ein bissl das Problem…

  6. Arne
    September 7th, 2007 09:30
    6

    Okay… es ist in der Tat das erste mal, dass ich das Argument höre, es gehe nur darum, die beim Durchleuchten des Handgepäcks störenden Flüssigkeiten aus dem Handgepäck zu bekommen.

    Es bleiben mir aber dennoch Fragen, die mir diese Begründung unverständlich erscheinen lassen:
    Wenn alle (auch ungefährlichen) Flüssigkeiten im Handgepäck so ein großes Problem für die Röntgengeräte sind, warum wurde die Regel erst dann eingeführt, als eine Terroristengruppe mit Flüssigsprengstoff experimentierte? War das die Gelegenheit um endlich, endlich die schon immer verhassten Flüssigkeiten aus dem Handgepäck zu bekommen? Weil die schon immer so viel Probleme beim Durchleuchten machen, aber nicht genug, um deswegen (ohne den Anlass des vereitelten Anschlags) eine “Regelung zur Herausnahme der Flüssigkeiten vor dem Durchleuchten” durchzusetzen? Aber wenn die Flüssigkeiten die Analyse des Röntgenbildes so schwierig machen, warum wurde vorher mein Handgepäck mit prall gefüllter 1,5l-Wasserflasche nie beanstandet, warum musste ich die vor der Flüssigsprengstoffpanik nie rausnehmen? Und warum muss dann heutzutage die Babynahrung gekostet werden? Wieso dürfen im Plastikbeutel nur 100ml-Behälter sein?
    Chris, ich finde, Deine Begründung der Regelung passt nicht mit ihrer Entstehung und vor allem Ausführung zusammen.
    Wir können das ja heute abend beim JF noch in aller Ruhe diskutieren. :-)

  7. Chris
    September 9th, 2007 09:13
    7

    Am Freitag bei der kurzen Diskussion habe ich gemerkt, dass wir aneinander vorbei reden.
    Was ich sagen wollte ist: “Es gibt einen Grund der nachvollziehbar ist. Aber ich weiss nicht, ob das der tatsächliche Grund ist.” Was ich bisher nich dazu geschrieben habe; ich halte die Rückversicherung auch eher für den tatsächlichen Grund.

  8. Torsten
    September 11th, 2007 11:29
    8

    Vermutlich ist das Zitat des EU-Kommissars unvollständig: “…ein Risiko” – für meine Karriere – “,das ich…”