‘tschuldigung!
Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) steht wegen einer aktuellen Äußerung in der Kritik, CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla (und andere) regen sich auf, die Medien berichten [Beitrag im heute-journal als Videostream]… und wir lernen aus der ganzen Sache: Wolfgang Thierse spricht anscheinend besser Deutsch als Ronald Pofalla und das ZDF zusammen.
Wie komme ich zu dieser Erkenntnis? Thierse hat vor der Presse recht bald sein Bedauern ausgedrückt (im Video ab 1:20) und erklärt, dass er missverstanden wurde. Ob er sich auch entschuldigen wolle, wurde er gefragt. Davon nahm er aber mit einem Hinweis auf die deutsche Sprache Abstand:
“Verstehen Sie die deutsche Sprache? Man kann sich nicht selber entschuldigen.”
Das ZDF versteht die deutsche Sprache aber nicht, und wirft ihm das im entsprechenden Beitrag im heute-journal auch umgehend vor, dass er sich nicht entschuldigen will. Auch Ronald Pofalla meint (ab 1:55)
“ein Bedauern reicht nicht aus. Wir erwarten klipp und klar und eindeutig eine Entschuldigung von Herrn Thierse.”
Man möchte Herrn Pofalla und der heute-journal-Redaktion den passenden Zwiebelfisch-Artikel geradezu ausdrucken und/oder vorlesen! Dass Herr Pofalla nicht versteht, warum Herr Thierse sich nicht selbst entschuldigen wollte… na gut, sei’s drum. Aber von einer Nachrichtenredaktion hätte ich doch mehr erwartet!
Letztendlich hatte auch Herr Thierse ein Einsehen und sagte der Presse (ab 2:30), er “möchte auch nachdrücklich um Entschuldigung bitten.” Er hätte es sich natürlich auch leichter machen können, indem er das schon am Anfang so gesagt hätte. So hätte er die deutsche Sprache nicht willentlich geschunden und sich dennoch einigen Ärger erspart. Obwohl… vermutlich hätte sich Herr Pofalla dann um so mehr aufgeregt, etwa so:
Um Entschuldigung bitten reicht nicht aus. Wir erwarten klipp und klar eine Entschuldigung von Herrn Thierse.
November 18th, 2007 13:04
Da muss ich Dir widersprechen. Ganz im Gegenteil bin ich der Meinung, dass sich entschuldigen notwendige Vorraussetzung für eine Entschuldigung (um Entschuldigung bitten) ist.
Wir sind uns sicher einig, dass es folgende Vorraussetzungen für eine ehrliche Bitte um Entschuldigung gibt:
Wer um entschuldigung bittet, muss akzeptieren, dass seine Worte oder sein Handeln Schuld auf ihn geladen haben.
Er oder sie muss der Meinung sein, dass es entschuldbar ist.
Das heisst, solange ich mich selbst nicht entschuldigt habe, kann ich auch nicht andere — ernsthaft — um Entschuldigung bitten, da ich entweder selbst meine Schuld gar nicht akzeptiere oder selbst Worte oder Taten für unentschuldbar halte.
Das mag zwar etwas kleinlich klingen, aber der Unterschied zwischen “ich entschuldige mich” und “ich bitte um entschuldigung” ist ja auch nicht riesig.
November 18th, 2007 13:46
Etwas das kleinlich klingt, ist hier mit Sicherheit genau am richtigen Platz. :-)
Nein, sehe ich insgesamt nicht so…
Richtig, da stimme ich zu.
Jein. Wenn er (denkt Euch das “oder sie” jeweils selbst dazu) selbst sein Handeln für unentschuldbar hält, könnte er ja immer noch um Entschuldigung bitten – vielleicht hält das “Opfer” des Schuld verursachenden Handenls die Sache ja für entschuldbar und gibt der Bitte um Entschudligung nach. Der Verursacher muss dann halt damit leben, dass er selbst die Sache eigentlich für unentschuldbar hält.
Das sehe ich nicht so. Ich finde du schmeißt “sich entschuldigen” und “seine Schuld einsehen” durcheinander. Die Einsicht der Schuld ist zwingende Voraussetzung für eine ernstgemeinte Bitte um Entschuldigung. Da gebe ich Dir völlig recht. Aber “Einsehen der Schuld” ist doch nicht synonym mit “sich entschuldigen”. Sich entschuldigen heißt doch, wenn man es sich mal genau (und wir sind ja hier gerade so schön kleinlich ;-) anschaut, dass man sich seine Schuld selbst vergibt. Aber das ist doch im hohen Maße überheblich und anmaßend – das Vergeben der Schuld sollten wir doch wirklich den Opfern des Handelns überlassen!
Beispiel: Ich trete Dir auf den Fuß. Angebracht wäre es, Dich um Entschuldigung zu bitten. Die gewährst Du mir dann hoffentlich und ich muss nicht den Rest meines Lebens mit der Schuld Leben, Dir auf den Fuß getreten zu haben, sondern weiß, dass Du mir diesen Fehler vergeben hast. Unangebracht wäre es, Dir auf den Fuß zu treten, mich dann selbst dafür zu entschuldigen, und fertig ist. Ohne zu wissen, ob Du mir den Fehler vergibst, vergebe ich ihn mir selbst und bin fröhlich, zufrieden und frei von Schuld. Das ist genauso unangebracht, wie den Tritt auf den Fuß mit einem “Ich vergebe mir diesen Fehler” oder “Ich verzeihe mir, dass ich Dir auf den Fuß getreten habe” abzuhandeln.
November 18th, 2007 13:49
Btw, “I’m not slacking off, my
code is compilingCVS is committing.“November 19th, 2007 14:19
Nee, ich glaube Du missverstehst, wie ich es gemeint habe.
Ich gehe immer von einer ernst gemeinten Entschuldigung aus.
Wenn ich um entschuldigung für etwas bitte, von dem ich denke, dass man es nicht entschuldigen kann, ist es entweder nicht ernst gemeint oder wirklich anmaßend (ergo auch nicht ernst).
Das heisst, um Deinen vorletzten Absatz genau zu filetieren, dass es nicht synonym ist, sondern die zweite Bedingung. Und sich – nur sich selbst gegenüber – die Schuld vergeben, heisst ja nicht, dass man seinem von Gegenüber entlastet wird.
Wie gesagt, alles nur unter der Prämisse, dass es ernst gemeint ist.
Zu Deinem Beispiel:
Ich trete Dir (versehentlich) auf den Fuß:
1. Ich habe Dir weg getan und bin (habe) schuld, weil ich besser hätte aufpassen können.
2. Meine Schuld ist verzeihbar, ich brauche sie mir nicht selbst gegenüber nachzutragen (in so einem Beispiel, das derartig trivial ist, kommt das nicht wirklich zur Geltung, aber denke an eine beliebige, viel schwerere Schuld), also kann ich ehrlich um entschuldigung bitten.
November 21st, 2007 00:05
Hmm, ich glaube, jetzt weiß ich was Du meinst. Für eine ernstgemeinte Bitte um Entschudligung braucht es: 1. Die Einsicht, dass man Schuld auf sich geldaen hat. 2. Die Ansicht, dass man dafür entschuldbar sein kann (dass die die Sache verzeihbar ist). Und 2. bezeichnest Du als “sich selbst entschuldigen”. Etwa so?
Wenn ja:
Von der Sache her, was die Voraussetzungen für eine ernstgemeinte Bitte um Entschuldigung betrifft, ja okay. Aber ich denke nicht, dass das 2. die eigentliche Bedeutung der Formulierung “sich entschuldigen” ist. Weder in der ursprünglichen Bedeutung (die Herr Thierse gemeint hat und anmaßend fand, nämlich “sich selbst die Schuld verzeihen und gut ist“), noch in der heute durchaus geläufigen reflexiven Variante, in der “Ich entschuldige mich” eigentlich, wenn man mal ehrlich ist, inhaltlich soviel bedeutet oder bedeuten soll wie “Ich bitte um Entschuldigung.”
Aber selbst, wenn “sich entschuldigen” für das oben definerte 2. stünde, wäre es ja mit “sich entschuldigen” auch nicht getan, da das ja nur die zweite Voraussetzung für eine ernstgemeinte Bitte um Entschuldigung war. Also nicht die Bitte als solche, sondern der ihr vorhergehende innere Prozess des Schuldigen.
November 21st, 2007 19:24
Ja, stimmt genauso wie du es schreibst. Ich sagte ja, dass ich das kleinlich formuliere ;-)