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Drei große Verbrechen an der deutschen Sprache

  • Das willkürliche Apostroph
    [Noch vor einer Weile hätte dieser Punkt “Das Genitiv-Apostroph” geheißen: Im Deutschen wird das Genitiv-s einfach an das Substantiv angehängt (Arnes Seite), im Englischen steht ein Apostroph dazwischen (Arne’s site). Im Deutschen ist das Apostroph fast ausschließlich ein Auslassungszeichen (so steht es z.B. bei “Klaus’ Seite”, da Klaus schon auf s endet und so kein s angehängt wird, um den Genitiv anzuzeigen), die Verwendung beim Genitiv ist obsolet und heutzutage nur in Ausnahmefällen regelkonform (z.B. Andrea’s Seite). Doch natürlich schwappt die englische Verwendung des Apostrophs auch zu uns, und so heißt es heute – besonders gern in der Werbung – immer öfter “Oma’s Griesbrei” usw. Ich habe es eingestellt, darüber zu zetern und mich stattdessen damit abgefunden, dass sich mittelfristig das Apostroph vor dem Genitiv-s durchsetzen wird. Und ich finde es nicht mal schlimm, ist doch der Genitiv der einzige Fall, der Namen durch einen angehängten Buchstaben “verändert”; durch das Apostroph bleiben die Namen in ihrer Grunderscheinung stärker erhalten. Und an dieser Stelle sollte ich auch festhalten, dass ich schon heute lieber “Ohm’sches Gesetz” als “Ohmsches Gesetz” schreibe.]
    Richtig spaßig wird es, wenn durch das Apostroph völlig willkürlich irgend ein armes, wehrloses s von seinem Wort abgetrennt. Immer häufiger zu sehen beim Plural (“Mellow Weekend’s in der Centralstation“, und das ist weder im Englischen noch im Deutschen richtig!), aber nicht nur da – In der Bessunger Kneipe Rühmann’s gab es den bisherigen Höhepunkt: “Bitte nicht’s abstellen!
  • Das sogenannte Deppen Leerzeichen
    Dem Zwiebelfischartikel “Dem Wahn Sinn eine Lücke” von Bastian Sick (Auszüge daraus im ersten Kommentar zu dieser Post) bleibt mir zu diesem Thema nur hinzuzufügen: 1.) Ein Beispiel aus dem Supermarkt: So kann man bei bei Aldi Zitronen Tee Getränk kaufen (und das alles granuliert und in einer Packung!). 2.) Ein Beispiel aus einer Speisenkarte: Es ist wieder Schnitzel Zeit! (Vor der persönlichen Ansprache der Zeit wurde hier natürlich das Komma vergessen, aber mir ist auch nicht klar geworden, warum sich die Zeit dafür interessieren sollte, dass jetzt wieder Schnitzel ist…)
    Mal darauf achten, auch diese aus falschumgesetzten englischen Einflüssen resultierende Entwicklung nimmt vermehrt ihren Lauf.
  • Unsinnige Anführungszeichen
    Ganz groß ist da z.B. “mein” Minimal in der Heinrichstraße. Denn während die Anführungszeichen im vorherigen Satz und in der folgenden Klammer Sinn machen ergeben (schon gut Felix, kannst Dir den Comment zu “Sinn machen” sparen) – einmal Kennzeichnen sie die ironische, nicht wörtlich ernst gemeinte Verwendung eines Wortes, im zweiten Fall ein Zitat – ergeben sie in den folgenden Beispielen keinen Sinn:
    Die “Ruhebank” für ihre “Pause”
    Hier finden Sie den “Antrag” für die “Rewe-Card”

    (Aha, die “Ruhebank” für meine “Pause”, ist klar, na auf die setze ich mich lieber nicht, wer weiß was es mit dieser “Ruhebank” auf sich hat, am Ende geht noch eine Sirene los, wenn ich mich auf die “Ruhebank” setze, damit ich in meiner “Pause” nicht einschlafe, sondern weiter Geld ausgebe…) Zum Hervorheben von Text gibt es doch nun wahrlich einfache andere Möglichkeiten, als “Anführungszeichen” zu verwenden.
  • 13 Responses to “Drei große Verbrechen an der deutschen Sprache”

    1. Arne
      January 3rd, 2006 19:36
      1

      Aus dem Zwiebelfischartikel “Dem Wahn Sinn eine Lücke” von Bastian Sick, dem Autor der sehr empfehlenswerten Zwiebelfischkolumne auf Spiegel Online.

      Steh Café

      Da stehe ich nun in diesem Laden, den man unter normalen Umständen als Stehcafé bezeichnen würde, und starre betroffen auf meinen Milchkaffee. Der Laden selbst nennt sich “Steh Café”, in zwei Wörtern. Steh – gähnende Leere – Café. Ich habe versucht, mir einzureden, dass da früher mal ein Bindestrich war, der heruntergefallen ist. So etwas kommt ja vor. So wie auch Neonbuchstaben von Hotels und Geschäften gelegentlich mal ausfallen und man dann nur noch “OTEL” oder “OUTIQUE” liest und rasch weitergeht. Aber da war kein Bindestrich. Das “Steh Café” ist nie ein “Steh-Café” gewesen. Den Beweis liefert die Getränkekarte. Was da vor mir auf dem Tisch steht, ist laut Karte nämlich gar kein Milchkaffee, sondern ein “Milch Kaffee”.

      Unsere Städte sind gepflastert mit zerrissenen Begriffen wie “Auto Wäsche”, “Kosmetik Studio” und “Kunden Parkplatz”. Ganz zu schweigen von den neuerdings überall zu findenden “Back Shops”, die ausländischen Touristen immer wieder Rätsel aufgeben: Was soll das sein – ein rückwärtiges Geschäft, ein Hinterladen?

      Ursprung dieses Auseinanderschreibungswahns ist die englische Sprache. Für Briten und US-Amerikaner ist es selbstverständlich, dass “service center”, “car wash” und “book store” jeweils in zwei Worten geschrieben werden. In Deutschland, Österreich und der Schweiz (und natürlich auch in Liechtenstein, immer vergesse ich Liechtenstein!) gelten andere Regeln als die englischen.

      Die berechtigte Empörung über das “Deppen Leer Zeichen” vermochte seine Ausbreitung bislang nicht aufzuhalten – im Gegenteil: Inzwischen ist es in sämtliche Bereiche der deutschen Sprache vorgedrungen.

      In einer spektakulären Werbeaktion verwandelte die Telekom das Brandenburger Tor vorübergehend in ein “Sport Portal”. Welch eine Tor Heit! Und die Tele Kom befindet sich in großer Gesellschaft: Die Lebensmittelindustrie produziert “Vollkorn Müsli”, “Würfel Zucker”, “Zwiebel Suppe” und “Milch Schokoladen Streusel”.

      Zu unterschiedlichen Deutungen kann die Verheißung “24 Monate ohne Grund Gebühr” führen. Warum sollte man sich auf einen Anbieter einlassen, der grundlos Gebühren erhebt? Da bleibe ich doch lieber bei meinem alten Vertrag, bei dem weiß ich wenigstens, aus welchem Grund ich Gebühren zahle!

      Der Bindestrich wurde stillschweigend abgeschafft, scheint es. Immerhin wies ihm die “IT Branche” eine neue Betätigung zu; dafür musste er allerdings einer Umbenennung zustimmen: Unter dem seltsamen Namen “Minus” fristet er nun ein Dasein als grafische Auflockerung in Internet- und E-Mail-Adressen.

      Im letzten Jahr schrieb ich eine Kolumne über den Missbrauch des Bindestrichs, der Wörter wie “Spar-Plan” und “Tempo-Limit” zerlegt und das Schriftbild zu einer trostlosen Strich-Landschaft verkommen lässt. Doch angesichts von “Fisch Spezialitäten” und “Qualität’s Tier Produkten” tut mir das heute fast Leid. Liebes Divis, bitte verzeih mir! Komm zurück und mache die “Anton Bruckner Straße” wieder zu einer “Anton-Bruckner-Straße” und die “Humboldt Universität” wieder zu einer “Humboldt-Universität”.

      Die stets nach Innovationen forschende Wirtschaft hat längst einen Weg gefunden, um die hässlich klaffende Lücke zwischen den Wörtern zu schließen: Zusammenschreibung unter Berücksichtigung der Großschreibung! So wurde aus Daimler und Chrysler eben nicht Daimler & Chrysler oder Daimler-Chrysler, sondern DaimlerChrysler. Hunderte Firmen sind diesem Beispiel gefolgt und haben ihre Namen unter besonderer Missachtung der Grammatik zusammengeklebt.

      Ich trinke meinen “Milch Kaffee” aus, stelle die Tasse bei der “Geschirr Rückgabe” ab und gehe hinaus auf die Straße. Es schneit. Direkt vor meiner Nase fährt ein Streufahrzeug vorbei. Darauf steht “Winterdienst” – in einem Wort. Das tut gut! Fröhlich winke ich dem Fahrer zu, der mich für plemplem halten muss. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite werden Weihnachtsbäume verkauft, ein Schild verheißt “Nordmann Tannen ab 15 Euro”. Ich schlage den Kragen hoch und mache mich auf den Heim Weg.

    2. Chris
      January 3rd, 2006 20:00
      2

      Richtig, Arne! Das Anführungszeichen ist keine Hervorhebung! Verdammt, wann werden diese Cretins es lernen, den Duden zu verwenden?

    3. Torsten
      January 4th, 2006 09:49
      3

      Kann es sein, dass die Anführungszeichen auf den Schildern nur “Anführungszeichen” sind? Schuld ist wahrscheinlich die Blöd-Zeitung mit ihrer “DDR”. Ãœbrigens hätte ich es lustiger gefunden, wenn auf dem Schild in der Kneipe “Bitte nichts abbestellen” gestanden hätte.

      PS: Bei Rechtschreibfelern oder Stillblüten lesen Sie bitte den Duden oder beschweren sich bei meinem Deutschlehrer.

    4. Torsten
      January 4th, 2006 10:04
      4

      Und wenn wir schon beim Nit-Picking (nit picking, nit-picking, wie denn nu’?) sind: Das Blogsystem sollte doch eigentlich als erstes Anführungszeichen ein tiefgestelltes verwenden. Das kenn ich so noch von LATeX…

    5. Arne
      January 4th, 2006 10:44
      5

      Merriam-Webster online meint: nit-picking. Eingedeutscht dann also Nit-Picking, oder… hmm, ich bin still. Oder wie wäre es mit “wenn wir schon beim spitzfindig seien sind” ;-)
      Mein Blogsystem (das großartige WordPress) läuft in Englisch, daher die hochgestellten ersten Anführungszeichen. Zur konsequenten Durchmischung von Deutsch und Englisch in meinem Blog siehe auch meine allererste Post.

    6. Torsten
      January 4th, 2006 13:34
      6

      Wenn die Durchmischung von Deutsch un Englisch konsequent ist, ist die doch eigentlich die Trennung von Wörtern (Nordmann Tanne) nicht weiter tragisch. Die Douglasföhre wäre im Englischen ja auch die Douglas fir…

    7. Arne
      January 4th, 2006 17:55
      7

      Nee, nicht unbedingt, ich würde zwischen (bewusster) Durchmischung und fehlerhafter Sprache unterscheiden.
      “Ich kaufe mir eine Douglas Fir” wäre Durchmischung, “Ich kaufe mir eine Douglas Föhre” wäre falsch.

    8. Chris Leipold
      January 5th, 2006 08:11
      8

      Hi,
      das mit der “DDR” ist nicht (nur) von einer Blödzeitung. In den 70ern(?) hatten die Kultusminister der (Westdeutschen) Länder das so angeordnet. Allerdings mit dem Hintergrundgedanken, dass die DDR eben nur “DDR” genannt wird und es nicht ist…
      Das Blogsystem kann man btw umstellen. Aber, um weiter fröhlich zu durchmischen – who cares?

    9. Arne
      January 11th, 2006 01:01
      9

      Und das Leerzeichen hat wieder zugeschlagen – heute gelesen:
      Sport Aktion
      Tomaten Ketschup

      Wenn es so weiter geht wird es bald auch “Blumen Erde für Blumen Töpfe im Sonder Angebot” geben. Bitte Ni Cht!

    10. Chris
      January 11th, 2006 08:02
      10

      Aber wo rüber ist doch richtig, oder? Also im Sinne von “über was”?

    11. Arne
      January 11th, 2006 13:13
      11

      Nee, das ist schon worüber.
      Aus dem Duden: Richtiges und gutes Deutsch zu diesem Thema:

      über was / worüber:
      Standardsprachlich ist in der Regel das Pronominaladverb worüber: Worüber will sie sprechen? Die Verbindung über + was (Über was habt ihr gesprochen?) kommt in der Umgangssprache recht häufig vor; sie ist stilistisch unschön.
      (c) Dudenverlag 1998

      Wo rüber könnte es geben als Verbindung von wo + rüber, wobei rüber hier dann die umgangssprachliche Verkürzung von herüber oder hinüber wäre:
      “Komm mal über diese einsturzgefährdete Brücke herüber!”
      “Ich soll wo rüber kommen?”

    12. Random Thoughts in Scattered Posts » Dem Wahn Sinn noch mehr Lücken
      January 30th, 2006 18:45
      12

      In einem vorangegangenem Gezeter über Drei große Verbrechen an der deutschen Sprache habe ich bereits berichtet, dass der Darmstädter Minimal in der Heinrichstraße bei der sinnlosen Verwendung von Anführungszeichen an vorderster Front mitkämpft. Aber auch bei den Leer Zeichen des Wahn Sinns ist er vorne mit dabei. So gibt es dort nicht etwa eine Fleischtheke, sondern… [weiter]

    13. Random Thoughts in Scattered Posts » Zwiebelfisch in Darmstadt
      February 3rd, 2006 20:31
      13

      Passend zu den aktuellen Beiträgen zur deutschen Sprache: Bastian Sick hält am Mittwoch, dem 8. März 2006, in Darmstadt einen Vortrag. Bastian Sick ist Autor der unterhaltsamen und klugen Spiegel-Online-Kolumne Zwiebelfisch… [weiter]